Entwicklung der Kammerherrenschlüssel im Königreich Preußen
Ob bereits unter Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten (1620–1688; Regierungsantritt 1649), Kammerherrenschlüssel als Rangabzeichen existierten, lässt sich anhand der überlieferten Quellen nicht eindeutig klären. Die ersten sicher datierbaren brandenburgischen Exemplare stammen aus der Regierungszeit Friedrichs III. von Brandenburg (1657–1713), der 1701 als Friedrich I. den preußischen Königstitel annahm. Diese frühen Schlüssel bestanden aus feuervergoldeter Bronze, waren etwa 17 cm lang und besaßen einen nahezu runden Kopf, der viermal die durchbrochene Chiffre „FIII“ zeigte. Im Zentrum befand sich das Zepter aus dem kurbrandenburgischen Wappen – dem heraldischen Zeichen des Erzkämmereramtes im Heiligen Römischen Reich. Umlaufend war die Devise des englischen Hosenbandordens angebracht: „Hony soit qui mal y pense“. Zwischen etwa 1690 und 1700 verlieh Friedrich III. die Schlüssel in dieser Form. Den Abschluss bildete eine Krone, flankiert von zwei sitzenden Adlern.
Nach der Königskrönung 1701 erhielten die nun „königlichen“ Kammerherren neu gestaltete Schlüssel. Vermutlich wurden sie ausschließlich an die im Rangreglement auf Position 15 geführten besoldeten Kammerherren ausgegeben, nicht jedoch an die lediglich den Titel führenden Titular-Kammerherren (Rang 44). Die zwischen 1701 und 1713 verliehenen Stücke maßen erneut 17 cm, bestanden aus Bronze und waren zweifarbig feuervergoldet. Der ovale Kopf zeigte in barockem Rankenwerk den nach links blickenden preußischen Adler mit emailliertem Herzschild; das Monogramm „FR“ war rot aufgetragen. Der Schaft war reich verziert, der Bart durchbrochen gearbeitet. Zwei Ösen auf der Rückseite dienten der Befestigung am Hofkleid.
Mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. (1688–1740) im Jahr 1713, der den umfangreichen Hofstaat seines Vaters weitgehend reduzierte, änderte sich die Gestaltung erneut. Der „Soldatenkönig“ führte eine Form ein, die – abgesehen von stilistischen Anpassungen – bis zum Ende der Monarchie Bestand hatte. Diese Schlüssel bestanden aus vergoldetem Silber, waren rund 18 cm lang, wogen etwa 180 g und trugen unter der Krone das Monogramm „FWR“. Als Schildhalter dienten die beiden „wilden Männer“ aus dem großen preußischen Wappen. Der Schaft war schlicht gehalten, der Bart offen gearbeitet. Aus den Regierungszeiten Friedrichs I. und Friedrich Wilhelms I. ist jeweils nur ein einziges Exemplar bekannt. Auch unter Friedrich dem Großen orientierten sich die verliehenen Schlüssel grundsätzlich an dieser Form. Die Krone wurde allerdings durchbrochen gestaltet, wodurch ein offener Zwischenraum zwischen Herzstück, Lorbeerkranz und Schildhaltern entstand. Der Schaft blieb glatt, während der Bart ein ausgespartes Kreuz und eine wulstige Außenkante aufwies. Die Schlüssel Friedrichs II. wirken insgesamt filigraner als die seines Vaters, was dem Einfluss des Rokokos zugeschrieben wird. Aus seiner Regierungszeit sind sowohl silber-vergoldete Schlüssel von etwa 17 cm Länge und rund 170 g Gewicht als auch vergoldete Bronzeschlüssel überliefert. Letztere stammen vermutlich aus der finanziell angespannten Zeit des Siebenjährigen Krieges oder kurz danach.
Trotz teils geringer Abweichungen lassen sich Unterschiede in der Herstellung feststellen, die darauf hindeuten, dass die Schlüssel zu verschiedenen Zeitpunkten und vermutlich von unterschiedlichen Goldarbeitern gefertigt wurden. Die friderizianischen Schlüssel prägten die Gestaltungsform aller späteren preußischen Kammerherrenschlüssel. Lorbeerkranz, offene Krone, die spezifische Bartgestaltung und die Grundform blieben erhalten. Das Monogramm „FWR“, das bis 1918 auf den preußischen Schlüsseln erscheint, geht auf die Regierungszeiten Friedrich Wilhelms II. und seiner beiden Nachfolger zurück – zwischen 1786 und 1861 folgten drei Könige mit diesem Namen. Auch die von Kaiser Wilhelm II. verliehenen Schlüssel trugen weiterhin das Monogramm „FWR“. Diese Stücke bestanden aus vergoldetem Silber, waren etwa 14–15 cm lang und wogen 70–85 g.
Unter Friedrich Wilhelm I. umfasste der Kreis der Kammerherren vermutlich nur etwa zehn Personen. Nach dem Tod Friedrichs des Großen stieg ihre Zahl auf über hundert. Aufgrund dieser vergleichsweise geringen Zahl konnte jeder Herrscher ein eigenes Schlüsselmodell mit individuellem Monogramm vergeben. Erst unter Friedrich Wilhelm II., dessen Hofstaat mehr als 200 Kammerherren umfasste, mussten entsprechend große Stückzahlen gefertigt werden. Da seine Nachfolger ebenfalls Friedrich Wilhelm hießen, wurden aus Sparsamkeit dieselben Monogramme weiterverwendet. Dies erklärt auch die heute geringe Zahl erhaltener Exemplare.
Die Vergabe der vergoldeten Silberschlüssel mit dem Monogramm „FWR“ erstreckte sich somit von Friedrich Wilhelm II. bis Kaiser Wilhelm II. Bronzene oder messingene Schlüssel, meist zwischen 14 und 17,15 cm Länge, entstanden vermutlich zwischen 1807 und 1815 oder wenig später. Die im 20. Jahrhundert ausgegebenen Stücke zeigten plastischere Monogramme und stärker ornamentierte Kronen; ihr Gewicht lag weiterhin zwischen 70 und 85 g. Zudem bestand für Kammerherren die Möglichkeit, privat sogenannte Zweitschlüssel aus vergoldetem Metall zu erwerben – eine Option, die offenbar nur selten genutzt wurde. Diese Schlüssel waren persönliches Eigentum und mussten beim Ausscheiden aus dem Amt nicht zurückgegeben werden.
Details des Kammerherrenschlüssels im Königreich Preußen
Königreich Preußen, um 1910
Diese Schlüssel zeigen unter der Krone in einem ovalen, von stilisiertem Lorbeer eingefassten Medaillon, die Chiffre „FWR“. Links und rechts wird das Medaillon von den beiden wilden Männern aus dem großen preußischen Wappen flankiert. Sie stehen jeweils auf einem geschwungenen Podest, welche von einer muschelartigen Ornamentik gehalten werden. Darunter fügt sich unter einem Baluster, der sechseckig verzierte Schaft an. Am Ende des Schafts liegt der, mit einer kreuzartigen Öffnung versehene Bart des Schlüssels, welcher mit einer wulstigen, floralen Verzierung abschließt.
Schon früher wurden diese Schlüssel nach Georg Duwe aus vergoldeter Bronze, aber auch vergoldeten Silber hergestellt. Die Maße und Gewichte variieren in der langen Anfertigungszeit teils erheblich.
Vorliegender, wohl Silber vergoldeter Schlüssel, ist inkl. Öse, aber ohne Ring 148,9 mm lang. Da der Schlüssel an drei Stellen fest mit der Rosette vernäht ist, an der sich auch die zwei ca. 50 cm langen Haltebänder befinden, ließ sich das tatsächliche Gewicht des Schlüssels nicht genau bestimmen. Mit der Rosette und dem Bandwerk beträgt das Gesamtgewicht 105 g. Ohne Bandwerk dürfte der Schlüssel etwa 85 g wiegen.
Die Rosette selbst ist 10 x 11 cm groß und besteht aus einem 55 mm breiten, hellbauen Seidenband; vorliegendes Exemplar vorderseitig etwa ausgeblichen.
Details (Preußen, 1910)
Die langen Seidenbänder an der Rückseite dienten dazu, die Rosette mit dem Schlüssel an zwei kleinen Knöpfen zu befestigen, welche dazu an der Kammerherrenuniform angenäht wurden. Die Knöpfe mit einem Durchmesser von ca. 15 mm haben sich glücklicher Weise mit dem dazugehörigen Etui erhalten.
Mutmaßlich wurde dieser Schlüssel von der Fa. Johann Wagner & Sohn um 1910 angefertigt. Punzen oder Marken sind nicht vorhanden.
Das Holzetui misst 187 x 119 x 28 mm. Der Deckel und die Kanten des Etuis sind von außen mit einem hellrot gefärbten und geprägten Kaliko bezogen. Der Deckel ist zudem mit zwei umlaufenden, goldenen Prägelinien verziert. Die Kanten des Etuiunterteils weisen zwei nicht farblich abgesetzte Prägelinien auf. Der Boden des Etuis ist mit einem dunkelroten Prägepapier beklebt. Innen ist das gesamte Etui mit weißer Seide ausgekleidet. Die Einlage weißt eine Aufnahme für den Schlüssel und Rosette und je eine Aufnahme für die beiden Knöpfe auf.
Die Ränder der Etuiinnenflächen sind mit einem schmalen Streifen aus weißem Prägepapier verziert.
Hinweise auf einen Hersteller finden sich an diesem Etui nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt es aber aus Fertigung des Hofbuchbinders H. F. Schwartz, Berlin.
Das ganze Set weißt lediglich leichte Altersspuren auf und befindet sich sonst in einem fast neuwertigen Zustand, welches in dieser Vollständigkeit und diesem Zustand heute nur noch sehr selten zu finden sein dürfte.
Im Handbuch über den Königlich Preußischen Hof und Staat auf das Jahr 1918 werden noch 241 lebende Kammerherren seit dem Jahre 1868 geführt.
Etui des preußischen Kammerherrenschlüssels (um 1910)
Zeitlich früherer preußischer Kammerherrenschlüssel
Details (Preußen, 1786-1840)
Königlich Preußischer Kammerherren-Schlüssel aus der Regierungszeit von Friedrich Wilhelm II. (1786-1797) oder Friedrich Wilhelm III. (1797-1840).
Dieser Schlüssel wiegt 114 g und ist 155,6 mm lang.